Was passiert, wenn mein Duales System „Pleite“ geht?
Eine immer wiederkehrende Frage in unserer Beratungspraxis ist die Frage: Was passiert, wenn mein Duales System „Pleite“ geht? Was ist in diesem Fall mit den von uns gemeldeten und bezahlten Lizenzmengen? Droht sogar ein Inverkehrbringungsverbot?
Auswirkungen der Insolvenz eines Dualen Systems
Gerne wird von Dualen Systemen an dieser Stelle auf die, im Rahmen der Feststellung bei den Bundesländern hinterlegten, Sicherheitsleistungen verwiesen. Sie soll als Beleg einer überragenden Sicherheit vor dem Risiko der Folgen einer Zahlungsunfähigkeit gelten. Aber ist das richtig? Sind diese Sicherheitsleistungen für den Lizenzkunden von Nutzen?
Für den Inverkehrbringer sind im Umgang mit einem insolventen Dualen System allein zwei Faktoren von Bedeutung:
Erstens: Gilt mein dualer System-Dienstleister weiterhin als festgestellt im Sinne des § 6 Absatz 5 Satz 1 VerpackV und wird diese Feststellung von den zuständigen Behörden wegen der Insolvenz entzogen?
Zweitens: Erfolgt weiterhin die Meldung aller beteiligten Verpackungsmengen in die „Clearingstelle“ der Dualen Systeme im vollem Umfang?
Die Auswirkungen der Insolvenz auf die zwei benannten Faktoren sollen hier kurz beleuchtet werden. Dazu ist es erforderlich, sich zuerst einmal mit dem wahrscheinlichen Verlauf des Insolvenzverfahrens eines Dualen Systems zu beschäftigen.
Verlauf eines Insolvenzverfahrens
Alle in Deutschland tätigen Dualen Systeme sind entweder Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH oder AG etc.) oder Personengesellschaft ohne natürliche Person als Vollhafter (z. B. GmbH & Co. KG). Damit sind die jeweiligen Geschäftsführer gemäß § 15 InsO, wie bei jedem anderen Wirtschaftsunternehmen auch, verpflichtet spätestens 3 Wochen nach Eintreten eines der Insolvenzgründe – Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – Insolvenz anzumelden.
Fraglich ist, ob für ein Duales System typischerweise im Fall der Insolvenz die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. In diesem Fall muss nämlich kein Insolvenzantrag wegen Überschuldung gestellt werden, auch wenn diese rein rechnerisch vorliegt. Da ein Duales System üblicherweise eine Vielzahl von Kundenverträgen mit laufenden Zahlungseingängen hat, wäre zumindest auf der Einnahmenseite ein Argument zur Unternehmensfortführung gegeben.
Unabhängig davon besteht für den Insolvenzverwalter nach § 158 InsO grundsätzliche eine Pflicht zur Fortführung des Betriebes bis zum Berichtstermin. Dieser, im Eröffnungsbeschluss zu bestimmende Termin, dient der Entscheidung der Gläubigerversammlung über den Fortgang des Verfahrens (insbesondere: Stilllegung oder Fortführung des Unternehmens) und die (mögliche) Verwertung der Insolvenzmasse. Dieser Berichtstermin sollte vom Insolvenzgericht nicht früher als sechs Wochen und nicht später als drei Monate nach Eröffnung des Verfahrens angesetzt werden. Da jedes Duale System auch über 1.500 Mitbenutzungsverträge zur Beteiligung an der Dualen Erfassung geschlossen hat, ist von einem erheblichen Prüfungsaufwand für den Insolvenzverwalter auszugehen, so dass der besagte Berichtstermin wohl deutlich am Ende dieser zeitlichen Vorgabe anzusiedeln ist.
Mindestens 3 Monate Fortsetzung des Geschäftsbetriebs
Für den Kunden hat dies zur Folge, dass der Geschäftsbetrieb des Dualen Systems also im Regelfall für mindestens ca. 3 Monate aufrechterhalten wird. Voraussetzung der Fortsetzung des Geschäftsbetriebes ist dabei, dass das betroffene Duale System auch weiterhin über seine Feststellung verfügt, oder – präziser ausgedrückt – über die jeweiligen Feststellungen der einzelnen Bundesländer. Solch eine gewährte Feststellung wird im Rahmen der Insolvenz nicht automatisch entzogen. Für den sogenannten Widerruf der Feststellung gibt es gleichwohl eine Anzahl von Gründen, welche unter anderem und nicht abschließend bereits im jeweiligen Feststellungsbescheid aufgeführt sind. Für den weiterführend interessierten Leser sei an dieser Stelle beispielhaft auf die Homepage des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern (LUNG) verwiesen, welches unter „Bekanntgaben / Notifizierungen“ die Feststellungsbescheide der derzeit in Mecklenburg-Vorpommern nach § 6 Abs. 5 VerpackV zugelassenen Dualen Systeme öffentlich macht.
Vertragskündigung durch den Dualen System-Vertragspartner
Für den Fall der Insolvenz wiederum interessant ist, dass der Widerruf der Feststellung sehr wohl für den Fall der Kündigung oder des Auslaufens von (Erfassungs-)Leistungs-oder Verwertungsverträgen vorgesehen ist. Da in der Mehrzahl der dualen Mitbenutzungsverträge üblicherweise für den Fall der Insolvenz einer Partei, der jeweils anderen Vertragspartei die Kündigung aus wichtigem Grund zugestanden wird, kann natürlich der Fall eintreten, dass Entsorger, Sortierer und Verwerter gegenüber dem insolventen Dualen System-Vertragspartner genau aus diesem Grund kündigen. Aber auch dann erfolgt der Widerruf der Feststellung nicht automatisch und sofort, sondern im Allgemeinen erst nach Anhörung des betroffenen Systems und nach Einräumung einer Frist zur Widerherstellung der Vertragsbindung. Dabei ist es in der Praxis von entscheidender Bedeutung, inwieweit die auf Entsorgungsseite betroffenen Vertragspartner als Insolvenz-Gläubiger innerhalb der Fortführung des Geschäftsbetriebes zumindest teilweise bedient werden können oder aber wie diese, im Rahmen des besagten Berichtstermins eben, über die Chancen der weiteren Fortführung informiert werden.
Alles in Allem ist auch von dieser Seite mit einem formellen Bestand der Feststellung des Dualen Systems zumindest für ca. 3 Monate nach der Eröffnung der Insolvenz zu rechnen.
Sicherheitsleistungen der Bundesländer
An dieser Stelle könnten nun erstmals die angesprochenen Sicherheitsleistungen ins Spiel kommen. Diese, bei den Bundesländern zu hinterlegenden Sicherheiten, dienen nämlich erstrangig der Verwendung zur Deckung einer notwendigen behördlich angeordneten Ersatzvornahme im Fall des Ausfalls von Erfassungs- und Verwertungsleistungen des jeweiligen Dualen Systems. Eine solche Ersatzvornahme setzt zum Beispiel voraus, dass von Entsorgerseite die Erbringung der dualen Erfassungsleitung verweigert wird. Inwieweit ein Entsorger nach Kündigung des entsprechenden Vertrages nun den von der Kündigung betroffen Mengenanteil sozusagen stehen lassen kann, ist praktisch mehr als fraglich. Letztendlich ist aber eines festzustellen: für den Inverkehrbringer-Kunden des Dualen Systems gibt es aus den hinterlegten Sicherheiten keinen Zugriff und auch keine erhöhte Sicherheit vor dem Risiko der Insolvenz.
Trotzdem ist zur Thematik des Risikofaktors „Feststellung“ klarzustellen, dass allein aufgrund der Insolvenz der Bestand der Feststellung nicht zwingend in Gefahr ist. Sollte der Berichtstermin ergeben, dass das insolvente Duale System unter der Verwaltung des Insolvenzverwalters (zumindest vorläufig) weiter betrieben wird, können dann auch notwendige die Feststellung erhaltende Maßnahmen vom Insolvenzverwalter betrieben werden.
Risikofaktor Weitermeldung
Für die Einschätzung des zweiten kundenrelevanten Risikofaktors, der Weitermeldung der am insolventen System beteiligten Verpackungsmengen, muss kurz auf die interne Systematik der Dualen Systeme eingegangen werden.
Alle Systeme melden auf Grundlage des jeweils gültigen Clearingvertrages die von Ihren Kunden bereits gemeldeten oder zu erwartenden Mengen an Verkaufsverpackungen für jeweils ein Kalenderjahres-Quartal im Voraus an die sogenannte Clearingstelle. Auf Grundlage dieser Meldung erfolgt dann im zeitlichen Fortgang der Ausgleich der Entsorgerforderungen für die Erfassung und auch die Mengenzuteilung der zu verwertenden bzw. zuerst zu sortierenden, erfassten Verpackungsmengen.
Für diese ins „Clearing“ gemeldeten Mengen kann unzweifelhaft der Status „beteiligt am Dualen System“ (gem. § 6 Abs. 1 VerpackV) angenommen werden. Soweit die Größe dieser Mengenmeldung auch annähernd mit der Gesamtsumme, der von allen Kunden des Dualen Systems bei selbigen zur Beteiligung eingebrachten Verkaufsverpackungsmengen übereinstimmt, gibt es an diesem Punkt auch kein weiteres Problem. Und wie oben bereits zuvor festgestellt, sind Abweichungen an dieser Stelle auch nicht allein im Zusammenhang mit einer Insolvenzlage gegeben. Während der Insolvenz fällt die Verantwortlichkeit für die jeweils anstehenden Quartalsmeldungen dem Insolvenzverwalter zu. Hier ist davon auszugehen, dass diesem tunlichst daran gelegen ist, sämtliche Kunden-Mengen geschlossen weiter zu melden.
Soweit das Duale System vor der Insolvenz also innerhalb der Quartalsmeldungen in die „Clearingstelle“ gemeldet hat und die „Clearingstelle“ innerhalb der Insolvenz weiter die Meldungen des insolventen Systems annimmt, kann der Kunde davon ausgehen, dass sein Mengen als „beteiligt am Dualen System“ gelten. Voraussetzung ist dabei natürlich der zuvor dargestellte Weiterbetrieb des Dualen Systems in der Insolvenzverwaltung unter Erhalt der Feststellung.
Und damit kommen wir nun zum wahrscheinlichsten Szenario der Insolvenz eines Dualen Systems: dem Weiterbetrieb bis zum Jahresende oder der Entlassung aus der Insolvenzverwaltung. Sollte wirklich der Geschäftsbetrieb des insolventen Dualen Systems durch den Insolvenzverwalter im laufenden Jahr eingestellt werden, lässt sich ein solche Beendigung sachlich nur zu einem Quartalsende begründen. Für die nach diesem Zeitpunkt in Verkehr gebrachten Mengen benötigt der Kunde dann einen neuen Dualen System -Dienstleistungspartner. Hat der Lizenznehmer aber an sein vormaliges, nun insolventes, Duales System auch nur Zahlungen für die dort bis zur Beendigung eingebrachten Mengen geleistet, dürfte ihm auch kein weitere Schaden entstanden sein. Die Mengenbestätigungen für diese Mengen sind auch unter der Insolvenzverwaltung auszustellen. Insoweit hier also von Kundenseite keine größeren Vorausleistungen erfolgten, ist die Gefahr eines wirtschaftlichen Schadens gering. Unternehmen, die zum Beispiel als Jahresmelder agieren und üblicherweise hier zumindest teilweise in Vorausleistung treten, können zumindest im laufenden Insolvenzverfahrens Maßnahmen zur Schadensminimierung treffen.
Dies gilt insbesondere bei dem unwahrscheinlichen Fall der Beendigung im laufenden Jahr. In diesem Fall verbleibt allen Kunden natürlich auch der Aufwand der Suche eines neuen Dienstleistungspartners, der gegebenenfalls auch seine Preisstruktur nun anders gestalten wird, als im normalen Vertragsabschluss-Rhythmus üblich.
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